Was ist Zeiterfassung?
Bei der Zeiterfassung handelt es sich um die Erfassung der Arbeitszeiten der Mitarbeitenden. Unabhängig von deiner Position hast du wahrscheinlich mindestens mehrmals pro Woche mit der Zeiterfassung am Arbeitsplatz zu tun. Für einige ist dieser Prozess vielleicht schon automatisch, oder sogar eine grosse Hilfe bei der Planung ihrer zukünftigen Arbeit.
Für andere hingegen ist die Zeiterfassung eine lästige Unterbrechung, die bestenfalls einmal pro Woche, schlimmstenfalls mehrmals am Tag auftritt. Wir sprechen aus Erfahrung: Die meisten unserer Mitarbeitenden würden die Zeiterfassung als lästig beschreiben. Lag es an unserer Zeiterfassungssoftware? War der administrative Aufwand zu gross? Oder stand die Zeiterfassung, wie andere veraltete Überbleibsel des Industriezeitalters, in zu grossem Widerspruch mit unseren Werten?
Ist die Zeiterfassung für Unternehmen gesetzlich vorgeschrieben?
Wir wollen nichts überstürzen. In der Schweiz (und so auch in vielen anderen Ländern) sind die Arbeitgeber nach wie vor gesetzlich verpflichtet, die Arbeitszeiten der Arbeitnehmenden zu erfassen, auch wenn es einige Ausnahmen gibt:
- Arbeitnehmende mit hohem Einkommen, die in ihrer Arbeit zeitlich und örtlich flexibel sind, können eine Verzichtserklärung unterschreiben, um so ganz von der Zeiterfassung befreit zu werden.
- Arbeitnehmende, die einen grossen Teil ihrer Arbeitszeit selbst bestimmen, können von einer vereinfachten Form der Zeiterfassung profitieren, bei der nur die täglichen Gesamtstunden erfasst werden. In diesem Fall muss eine Vereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und einer Vertretung der Arbeitnehmenden getroffen werden oder von jedem Arbeitnehmenden unterzeichnet werden (wenn das Unternehmen weniger als 50 Beschäftigte hat).
Die Zeiterfassung ist aus gutem Grund gesetzlich vorgeschrieben: Sie dient in erster Linie dazu, die Arbeitnehmenden vor Überstunden und Verstössen gegen ihre Ruhezeiten zu schützen. Aber kann die Zeiterfassung auch aus anderen Gründen für uns nützlich sein?
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Was sind die Vorteile der Arbeitszeiterfassung?
Ob die Zeiterfassung eine Bereicherung oder eine Belastung darstellt, ist die zentrale Frage für jedes Unternehmen, das in Betracht zieht, diese abzuschaffen. Da wir in unserem Fall die rechtlichen Voraussetzungen für eine vereinfachte Zeiterfassung erfüllten, verzichten wir auf eine detaillierte Zeiterfassung, bei der jede Tätigkeit erfasst wird. Zuvor haben wir jedoch die gängigen Annahmen über die Zeiterfassung überprüft, um festzustellen, ob eine gewisse Granularität uns noch dienlich sein könnte. Mit unseren Erkenntnissen entlarven wir die gängigsten Überzeugungen zur Zeiterfassung:
Überzeugung 1: Zeiterfassung ist nützlich, damit Mitarbeitende nicht zu viel arbeiten.
Es hat sich wiederholt gezeigt, dass eine schlechte Work-Life-Balance und lange Arbeitszeiten sich [negativ auf die geistige und körperliche Gesundheit auswirken](negatively affect mental and physical health). Aber ist die Zeiterfassung wirklich die Lösung dafür? Die Zeiterfassung kann zu einem Wettlauf mit Überstunden werden, besonders wenn die Daten mit Vorgesetzten und/oder Mitarbeitenden geteilt werden. Manche Mitarbeitende versuchen, ihr Engagement durch Überstunden zu zeigen, auch wenn dies nicht erforderlich ist. Unsere transparente Peer-to-Peer-Kultur ermutigt glücklicherweise diesen Wettbewerb nicht, was bereits vieles vereinfacht.
In Anbetracht dessen raten wir
- die Zeit auf der eigenen Seite zu erfassen, wenn es nicht möglich ist, Überstunden selbstständig zu kompensieren (beispielsweise aufgrund von Projektanforderungen wie einem Sprint oder einer Deadline).
- die Schwierigkeiten sofort (und wir meinen sofort!) mit dem Projektverantwortlichen und dem eigenen Talentmentor zu besprechen. Auf diese Weise können Lösungen wie die Einstellung zusätzlicher Mitarbeitenden oder die Neuausrichtung des Projekts erörtert werden.
Überzeugung 2: Zeiterfassung ist nützlich, um Vertrauen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmenden aufzubauen.
Anhand einer detaillierten Zeiterfassung können Arbeitgeber erkennen, ob ein Mitarbeitende die angegebenen Stunden tatsächlich geleistet haben. Niemand wird verdächtigt, überlange Mittagspausen zu machen, wenn man am Schreibtisch gegessen hat. Alles ist transparent. Alles ist fair. Alles ist gut... oder doch nicht?
Die Arbeitnehmende schulden dem Arbeitgeber nicht ihre ganze Aufmerksamkeit, ihre Zeit und ihren Lebenswillen. Heute ist es üblich, die Verfügbarkeit der Arbeitnehmenden während ihrer gesamten Arbeitszeit als selbstverständlich anzusehen. Sind sie nicht verfügbar, wird oft vermuten, dass sie nicht gearbeitet haben. Aber manchmal sind die Mitarbeitende einfach nur auf eine andere Aufgabe konzentriert oder haben eine kreative Session abseits ihres Bildschirms.
Wir beschlossen, die detaillierte Zeiterfassung abzuschaffen, um unseren menschlichen und einfachen Werten näher zu kommen. Wir überlassen es den Mitarbeitenden, ihren Arbeitstag so zu gestalten, wie es ihnen passt, und wie sie ihr Bestes geben können. Wo wir gerade dabei sind...
Überzeugung 3: Die Zeiterfassung ist nützlich, um die Leistung der Mitarbeiter zu messen.
Die Zeiterfassung stammt aus dem Industriezeitalter, wo die Mitarbeitenden bei jeder Schicht in den Fabriken ein- und ausstempelten. Die Zeiterfassung stand in engem Zusammenhang mit der Leistung, da das Verhältnis von Output (hergestellte Waren) zu Input (Zeit) einfach berechnet werden konnte.
Heute sind mehr als drei Viertel der Schweizer Unternehmen im Dienstleistungssektor tätig. Das Produkt der Dienstleistungsindustrie ist geistige Arbeit: Veranstaltungen, Software, Rechtsverteidigung, Design oder Patente. Ist es denn legitim die Leistung für die Entwicklung von Ideen und abstrakten Konzepten mit Zeit messen?
Die obligatorischen Arbeitszeiten und verbindliche physische Anwesenheit verschlimmern die Situation zusätzlich. So bleiben die unterschiedliche Konzentrationsmodi und kreativen Stile der Menschen komplett aussen vor.
Wir haben uns auch deshalb von der detaillierten Zeiterfassung verabschiedet, weil wir glauben, dass die Arbeit sich an das Leben der Mitarbeitenden anpassen sollten, und nicht umgekehrt. Wir konnten einfach nicht für Inklusion eintreten und gleichzeitig riskieren, Team-Mitglieder in ein System zu zwingen, das nicht zu deren individuellen Arbeitsstilen passt.
Überzeugung 4: Zeiterfassung ist nützlich, um Projekte in Rechnung stellen zu können.
Auch wenn wir der festen Überzeugung sind, dass es bei grossartigen Projekten um die Wertschöpfung und nicht um die aufgewendeten Stunden geht, ist es für uns nach wie vor nützlich zu beobachten, welche Projekte zu viele Überstunden generierten. Alle Zeiterfassung der Welt kann ein unzureichend geplantes Projekt nicht retten, aber wir können aus unseren Fehlern lernen, um zukünftige Arbeit besser zu planen.
Da die für ein Projekt aufgewendete Zeit für uns ein wichtiger Richtwert ist, haben wir uns für die vereinfachte Zeiterfassung mit autonomer Kompensation von Überstunden entschieden, wo Produktionsrollen nach wie vor die für die Projekte aufgewendete Zeit erfassen müssen. Alles andere (Administration, Kommunikation, Finanzen, Veranstaltungen, Pendeln) lassen wir aus.
Sollte ich die Zeiterfassung abschaffen?
Zuallererst solltest du dir über die rechtlichen Folgen, die der Verzicht auf die Zeiterfassung für dein Unternehmen haben könnte, im Klaren sein. Sobald die Mindestanforderungen ermittelt hast, empfehlen wir, jede unserer oben genannten Überzeugung im Hinblick auf die Unternehmenskultur, die du hast – oder fördern möchtest, zu prüfen.
Unserer Erfahrung nach kann Autonomie Wunder für die Work-Life-Balance und das Vertrauen bewirken. Leistung sieht je nach Unternehmen, Person oder Zeitalter nicht gleich aus. Projekte, die schief gehen, gehen nicht wegen einer schlechten Zeiterfassung schief, sondern wegen einer schlechten Planung.